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Der Leuchtturm von Genua war wohl das Letzte, was Auswanderer*innen von ihrer alten Heimat sahen. Zwei sehr unterschiedliche Auswanderungs-Storys: diejenige von Papst Franziskus und von Mimi Bucherer.
Hafen von Genua mit Lanterna

Franziskus und Mimi – zwei Auswanderungs-Storys

Der Leuchtturm war wahrscheinlich das Letzte, was Auswanderer*innen aus Italien, aber auch aus anderen Ländern von ihrer alten Heimat sahen. So wahrscheinlich auch die 1252 Reisenden auf dem Luxusliner Principessa Mafalda, der am 11. Oktober 1927 Genua verliess. 314 von ihnen sollten auch ihre neue Heimat nie sehen, denn sie kamen um, als die «italienische Titanic» am 25. Oktober 1927 vor der brasilianischen Küste sank. Eines der prominenten Opfer war Mimi Bucherer aus der Schweizer Luxusuhren-Dynastie Carl F. Bucherer. Die Grosseltern und der Vater des kürzlich verstorbenen Papstes Franziskus dagegen «verpassten» dieses Schicksal.

Warum es 3,5 Mio. Italiener nach Argentinien zog​

Zwischen der Staatsgründung im Jahr 1861 und den 1960er Jahren erlebte Italien die grösste Massenmigration der jüngeren Geschichte. 25 Mio. Menschen verliessen das Land. Neben Zielen in Europa zog es die Italiener*innen auch in die Neue Welt. Argentinien wurde nach den USA ihr zweitbeliebtestes Ziel.

Zwischen den 1850er und den 1950er Jahren wanderten 3,5 Mio. Italiener*innen nach Argentinien aus. Einer der Gründe für die Auswanderung war die weit verbreitete Armut, insbesondere unter der Landbevölkerung.

Quelle: Italienische Argentinier, Wikipedia-Artikel, abgerufen am 7.2.2025

Der letzte Blick auf die Heimat: Die Lanterna, der Leuchtturm im alten Hafen von Genua.

Foto: Daniela Rinderknecht

Als Passagier dritter Klasse auf dem Luxusdampfer

Im Hafen von Genua gingen die Auswanderer*innen an Bord eines der Dampfer, die regelmässig den Atlantik überquerten. Die meisten von ihnen konnten sich nur Tickets dritter Klasse leisten. In dieser standen denn auch die meisten Unterkünfte zur Verfügung.

Die typische Reiseroute führte sie von Genua nach Rio de Janeiro und Santos in Brasilien, Montevideo in Uruguay und Buenos Aires in Argentinien. In den 1890er Jahren dauerte die Überfahrt noch 35 Tage. Seit 1909, als die Principessa Mafalda, das größte und schnellste Passagierschiff der damaligen Zeit, vom Stapel lief, dauerte sie bloss noch 14 Tage. Das Flaggschiff der italienischen Reederei Navigazione Generale Italiana war beliebt bei Tourist*innen, Berühmtheiten und Tausenden von Auswanderer*innen, die von Genua nach Buenos Aires und New York übersetzten.

Das war es auch, was die Familie Bergoglio aus dem Piemont im Sinn hatte. Der neunzehnjährige Mario und seine Eltern hatten bereits ihre Tickets für die Principessa Mafalda gebucht, die am 11. Oktober 1927 Genua verlassen sollte. Aufgrund einer Verzögerung beim Verkauf ihres Bauernhofs in der Provinz Asti konnten sie jedoch erst zwei Jahre später nach Argentinien aufbrechen.

Die Geschichte der Familie Bergoglio und ihrer glücklicherweise verpassten Reise mit der Principessa Mafalda wird auf den Tafeln im Museo della Lanterna erzählt.

Fotos: Daniela Rinderknecht

Wie die Familie des Papstes verschont wurde

Die Bergoglios hatten Glück, denn die Principessa Mafalda sank am 25. Oktober 1927 vor der brasilianischen Küste. Sie waren der Vater und die Grosseltern von Jorge Mario Bergoglio, der als Papst Franziskus bekannt wurde. Wäre die Familie Bergoglio im Oktober 1927 an Bord der Principessa Mafalda gegangen, hätte es wahrscheinlich nie einen argentinischen Papst gegeben. Und er wäre nicht mit den Worten zitiert worden: «Anche io sono figlio di migranti.» (Auch ich bin der Sohn von Migranten).

Im Museum bei der Lanterna della Genova erzählen Schautafeln die Geschichte der Familie Bergoglio und ihrer verpassten Reise. Papst Franziskus wird jedoch nicht namentlich erwähnt. Aber jeder in Italien weiss wahrscheinlich, wer Jorge Mario Bergoglio ist!

Quellen:

Anche io sono figlio di migranti.
Auch ich bin der Sohn von Migranten.
Der argentinische Papst Franziskus
Franziskus (17.12.1936 – 21.4.2025)
Argentinischer Papst

Die grösste Tragödie der italienischen Seefahrt

Weniger Glück hatten die 314 der 1252 Menschen an Bord, die am 25. Oktober 1927 beim Untergang der Principessa Mafalda vor der brasilianischen Küste ums Leben kamen. Nach diesem Ereignis, das eine der grössten Tragödien der italienischen Seefahrt war, wurde die Principessa Mafalda als «die italienische Titanic» berüchtigt.

Mimi Bucherer und der gesunkene Schatz

Die meisten der Opfer waren Passagier*innen der dritten Klasse: insgesamt 206. Unter den 32 Todesopfern der ersten Klasse befanden sich zahlreiche prominente Geschäftsleute und Aristokraten aus verschiedenen Ländern.

Unter ihnen war die 29-jährige Schweizerin Wilhelmina Bucherer-Heeb, genannt Mimi. Sie war die Schwiegertochter des berühmten Schweizer Uhrmachers und Gründers der Luxusuhrenmarke Carl F. Bucherer und führte mit ihrem Mann ein Uhren- und Schmuckgeschäft in Santiago de Chile. Sie reiste regelmässig in die Schweiz, um sich mit neuer Ware einzudecken. Bei ihrer Rückkehr nach Südamerika gingen alle wertvollen Uhren und Schmuckstücke mit ihr in den Tiefen des Atlantiks unter.

Im Jahr 2007, 80 Jahre nach der Katastrophe, widmete die Uhrenmarke Carl F. Bucherer der jungen Frau der Gründergeneration die «Tribute to Mimi». Die reich verzierte Art-Déco-Uhr ist eine Neuinterpretation der Uhr, die Mimi trug, als sie starb.

Quellen:

Mimi Bucherer

Mimi Bucherer führte zusammen mit ihrem Mann ein Uhren- und Schmuckgeschäft in Chile. Sie gehörte zu den Passagier*innen der ersten Klasse, die beim Untergang der Principessa Mafalda ihr Leben verloren.

Foto: archive.today

Über 60 % der Argentinier haben italienische Wurzeln

Argentinien ist nach wie vor ein Hotspot für im Ausland lebende Italiener. Schätzungen zufolge hatten im Jahr 2024 mindestens 30 Millionen Argentinier (62,5 % der argentinischen Bevölkerung) in irgendeiner Form italienische Vorfahren. Damit ist Argentinien nach Brasilien das Land mit der zweitgrössten italienischen Diaspora ausserhalb Italiens.

Hast auch du Vorfahr*innen, die nach Argentinien, Brasilien, Kanada, Australien oder in die USA ausgewandert sind? Wenn sie von einem italienischen Hafen aus gestartet sind, ist die Chance gross, dass du sie in der Online-Datenbank des Centro Internazionale Studi Emigrazione Italiana (CISEI) , dem Internationalen Zentrum für das Studium der italienischen Emigration, findest!

Und wenn du noch mehr Glück hast, findest du sogar weitere Infos über die Person (z.B. Alter bei der Ankunft, Reisedatum, Schiffsname, Ticketpreis, Herkunft, Beruf, Familienstand und sogar ob sie lesen und schreiben konnte).

Auszug aus der Datenbank des Centro Internazionale Studi Emigrazione Italiana (CISEI)

Auszug aus der CISEI-Datenbank mit dem Eintrag von Papst Franziskus› Vater
Mario Bergoglio.

Screenshot erstellt am 7.2.2025.

Quelle: www. ciseionline.it

Picture of Daniela Rinderknecht

Daniela Rinderknecht

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